Caring for Communities | Für Gemeinschaften sorgen – Buch

Das Schwedische und das Wiener Modell. Diese Publikation ist der Untersuchung von Gemeinschaftsräumen, in jüngeren Beispielen des geförderten Wohnbaus, im Nordbahnviertel in Wien gewidmet. Wir diskutieren diese hier vor dem Hintergrund des historischen schwedischen Wohlfahrtsstaatsmodells. Wir zeigen, wie Kollektivität und Gemeinschaft von legalen Rahmenwerken und Arbeitsteilungen beeinflusst wird. Dabei möchten wir herausstellen, dass Teilen, Kollektivität und Gemeinschaft für uns nicht das Gleiche bedeutet. Während das Teilen von Räumen, Werkzeugen und Dienst- leistungen etwa als kollektive Nutzungen bezeichnet werden können, erfordert das Schaffen von Gemeinschaft größere Bemühungen, die Bereitstellung geeigneter Räume und freie Zeit. …

„Paranoide Konstruktionen“ und „reparative Handlungen“

Bei unseren Besuchen der Gemeinschaftsräume im Nordbahnviertel fanden wir Hinweise auf strikte interne Vorschriften und Richtlinien. Diese wurden oft von überlasteten Verwalter*innen als Reaktion auf Beschwerden erlassen. Sie schränken die Nutzung bestimmter Räume zu bestimmten Zeiten ein, so dass manche Bewohner*innen sie oft gar nicht nutzen können. Der Wohnbau Bike & Swim (2012) bietet eine Fülle von Gemeinschaftsräumen, darunter ein großzügiges 25 Meter langes Schwimmbad auf dem Dach. Diese Anlage ist jedoch nicht leicht zugänglich. Nachdem sich die Nachbarn aus dem Haus nebenan über Lärmbelästigung vom Schwimmbad beschwert hatten wurden die Öffnungszeiten eingeschränkt, was es für Leute, die zu regulären Bürozeiten arbeiten schwer macht es zu nutzen. Freunde zum Schwimmen einzuladen ist verboten. Ein Sicherheitsdienst, den die Mieter*innen nicht haben möchten, für den sie aber zahlen müssen, wurde einge- stellt, um die Einhaltung der neuen Regeln zu gewährleisten. …

Gemeinschaftsräume, Werkstätten für zukünftige Wohlfahrtsmodelle?

In ihrem bekannten Artikel „What would a non-sexist city be like? Speculations on housing, urban design and human work“ (Wie würde eine nicht-sexistische Stadt aussehen? Spekulationen zu Wohnen, Stadtgestaltung und Arbeit) kritisierte die amerikanische Urbanhistorikerin Dolores Hayden das Konzept des 1935 erbauten kollektiven Wohnhauses in John Ericssonsgatan in Stockholm, das die Sozialreformerin Alva Myrdal zusammen mit dem Architekten Sven Markelius entworfen hatte. Hayden sieht das Projekt als verpasste Chance, die kollektiven Einrichtungen des Hauses, wie die organisierte Kinderbetreuung und die gemeinsame Küche, zu öffnen, um sich in einem größeren Netzwerk von Gemeinschaftsräumen mit der Nachbarschaft zu verbinden. Dieses Beispiel, sowie die meisten Kollektivhäuser, die zwischen den 30iger und 50iger Jahren in Schweden gebaut wurden, basiert vor allem auf der Idee, Dienstleistungen zu teilen, aber nicht, in erster Linie darauf eine Gemeinschaft zu produzieren. Es wurde vorausgesetzt, dass sich Gemeinschaft von selbst, durch die Nähe der Bewohner*innen, entwickeln würde. Damit steht das Kollektivhaus mit Dienstpersonal eigentlich im Widerspruch zur Idee des klassenlosen schwedischen Folkhemmet.

Herausgegeben von

Meike Schalk, Sara Brolund de Carvalho/Action Archive + Beatrice Stude
2019, Creative Commons, CC BY-NC-ND 4.0
ISBN 978-91-519-2716-9
Action Archive Publishing

Frei verfügbar auf Researchgate

Inhalt

  • Einleitung
  • Bike & Swim: Der Pool und andere Geschichten
  • PaN Wohnpark
  • Interkulturelles Wohnen mit friends
  • Wohnen am Park
  • Wohnprojekt Wien
  • Junges Wohnen
  • Park Residences: Untervermietung, gewerbliche Nutzung und der Fitnessraum
  • Gebietsbetreuung und Stadterneuerung:  Neutrale Orte“ als Gemeinschaftsräume planen
  • Bauträger*in: Leistbares Wohnen
  • Nachlese zur 11. Nordbahnhofvorlesung mit dem Thema: Was frustriert, was funktioniert? Beatrice Stude + Judith Schübl

Gestaltet von

Alexander Ach Schuh

Mit großzügiger Unterstützung von

Architekturzentrum Wien Az W, Strong Research Environment “Architecture in the Making”/ Formas (Swedish Research Council for Sustainable Development), ARQ c/o White AB, Konstnärsnämnden (The Swedish Arts Grants Committee) and KTH School of Architecture, Stockholm